Rebalancing und Handlungsfähigkeit – Disziplin in turbulenten Zeiten

Adriano Sbriglio, Yves Zumbrunnen und Dominik Boos

Nach Trumps Zollankündigung am Liberation Day standen Pensionskassen vor einer doppelten Herausforderung: Sie mussten trotz Turbulenzen an ihrer langfristigen Anlagestrategie festhalten und zugleich sicherstellen, dass die dafür erforderliche Liquidität verfügbar war.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der Ausgabe 10-25 der Schweizer Personalvorsorge publiziert.

Als US-Präsident Trump am 2. April 2025 seine geplante Zolloffensive verkündete, reagierten die globalen Finanzmärkte prompt mit massiven Kursverlusten. Amerikanische Aktien brachen am 3. April um 4.8 % ein und verloren tags darauf weitere 6%. Am 8. April wurde mit einem Minus von 12.1 % der vorläufige Tiefpunkt erreicht.

Besonders schmerzhaft für Schweizer Investoren: Parallel wertete der Dollar gegenüber dem Schweizer Franken deutlich ab. Wer keine Währungsabsicherung implementiert hatte, musste zwischenzeitlich gesamthafte Verluste von rund 16% in Franken hinnehmen – ein anschauliches Beispiel dafür, wie stark sich Währungsbewegungen auf die Performance auswirken können. Dabei sind Fremdwährungsverluste in Krisenzeiten insbesondere aus Schweizer Sicht nicht untypisch (siehe erste Grafik).

Zusammenhang zwischen US-Aktienperformance und Entwicklung USD/CHF

Grafik der Schweizer Personalvorsorge (Ausgabe 10-25)

Das APK-Beispiel

Am Beispiel der Kapitalallokation der Aargauischen Pensionskasse (APK) lassen sich die Auswirkungen solcher Marktturbulenzen gut nachvollziehen. Strategisch ist eine Aktienquote von 32 % verankert. Anfang April lag sie mit 31.7% sehr nahe an der Zielgrösse. Der starke Rückgang der Aktienmärkte führte jedoch dazu, dass die Quote auf 29.2 % sank - eine Abweichung von fast 3 Prozentpunkten oder umgerechnet rund 350 Mio. Franken. Um die Abweichungen zur festgelegten Anlagestrategie zu korrigieren, muss dieser Betrag wieder in die Aktienmärkte investiert werden - und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem viele andere Investoren das Risiko scheuen und sich aus dem Markt zurückziehen.

Mit Disziplin zum Erfolg

Genau in solchen Momenten zeigt sich, ob eine Pensionskasse vorbereitet ist. Entscheidend ist nicht nur, eine Anlagestrategie zu definieren, sondern auch klare Regeln für den Umgang während ausserordentlicher Marktereignisse. Die APK hat sich daher diesem Thema 2024 intensiv gewidmet: Man verabschiedete sich bewusst von einer taktischen Asset Allocation, bei der kurzfristige Marktprognosen zu Anpassungen führen, und setzte stattdessen auf ein verbindliches Rebalancing-Konzept.

Der Gedanke dahinter war, dass die langfristig gewählte Strategie selbst in schwierigen Marktphasen die richtige ist und auch der Vorgabe des obersten Organs entspricht. Ein durchdachtes Konzept bildet die Grundlage für ein diszipliniertes vorgehen, bei dem Abweichungen von der Zielallokation konsequent korrigiert werden.

Mit dieser Ausgangslage war es bei der APK möglich, die erforderlichen Aktienkäufe innert zweier Wochen umzusetzen. Aufgrund der Erholung der Märkte stieg die Aktienquote sogar derart an, dass kurze Zeit später mit dem Rebalancing-Konzept wieder erste Gewinnmitnahmen realisiert werden konnten (vgl. zweite Grafik).

Zum Zeitpunkt der antizyklischen Investition bestand diese Sicherheit jedoch nicht – weshalb eine klare Governance, definierte Entscheidungswege und ein gefestigtes Verständnis der langfristigen Anlagegrundsätze umso entscheidender sind. Gerade bei länger anhaltenden Krisen kann die Geduld aller involvierten Parteien auf eine harte Probe gestellt werden. Anfänglich definierte Überzeugungen können so mit der Zeit auch ins Wanken geraten.

Entwicklung der Aktienquote der APK während der Marktturbulenzen im April/Mai 2025

Grafik der Schweizer Personalvorsorge (Ausgabe 10-25)

Die Rolle der Liquidität

Neben der durchdachten Anlagestrategie bleibt die Liquidität ein zentraler Aspekt. Während der Liquiditätsbedarf für Rentenzahlungen und andere laufende Verpflichtungen meist gut planbar ist, kann anlageseitiger Liquiditätsbedarf – etwa infolge von Marktverwerfungen – unerwartet und plötzlich entstehen. Erst dann zeigt sich, dass nicht alle Vermögenswerte der Anlageklasse «Liquidität» auch tatsächlich jederzeit verfügbar sind.

Ein Beispiel sind Festgelder. Sie werden häufig zur Zinsoptimierung eingesetzt, binden das Kapital jedoch über Wochen bis Monate und lassen sich vorzeitig nur mit erheblichen Kosten auflösen. Auch Gewinne aus Devisentermingeschäften im Rahmen der Währungsabsicherung stehen in der Regel erst bei Fälligkeit zur Verfügung. Solche Positionen können die effektiv verfügbare Liquidität und damit die Flexibilität innerhalb der Liquiditätsquote deutlich einschränken.

Selbst vermeintlich hochliquide Positionen wie Staatsanleihen sind unter Umständen nicht verfügbar, wenn sie als Sicherheiten für derivative Positionen hinterlegt sind. Auch dem Anteil illiquider Anlagen im Gesamtportfolio ist besondere Beachtung zu schenken, da dieser die Handlungsfähigkeit deutlich einschränken kann.

Die erwähnten Beispiele sind nicht abschliessend, verdeutlichen aber, wie verschiedenste Faktoren angedachte Rebalancings entscheidend erschweren können. Entsprechend hat die APK auch hier klare Vorgaben zur Liquiditätsbewirtschaftung und zu den Möglichkeiten anderweitiger Finanzierung von Rebalancingtransaktionen geschaffen. Somit ist die effektive Verfügbarkeit der notwendigen Mittel auch in Stressszenarien sichergestellt.

Vorbereitung als Voraussetzung

Wer als Pensionskasse antizyklisch investieren will, braucht nicht nur den formulierten Willen, sondern auch eine tragfähige operative Struktur, klare Entscheidungswege und ein gutes Verständnis für die Möglichkeiten und Limitationen bei der Mittelbeschaffung. Einschränkungen und Handlungsoptionen sollten frühzeitig identifiziert und gezielt über Stresstests simuliert werden.

Strategietreue, Disziplin, Geduld und eine kritische Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen sind gemeinsam mit einer durchdachten Governance zentrale Erfolgsfaktoren. Gerade in ruhigen Zeiten gilt es, die Voraussetzungen zu schaffen, um in Krisensituationen handlungsfähig zu bleiben – denn dann fehlt oft die Zeit, um komplexe Entscheidungen koordiniert zu treffen.

In Kürze

  • Die langfristige Strategie erweist sich auch in schwierigen Marktphasen als richtig und entspricht der Vorgabe des obersten Organs.
  • Eine vorausschauende Liquiditätsplanung ist zentral. um das Rebalancing jederzeit zeitnah und effizient umzusetzen.
  • Klare Entscheidungswege, vorausschauende Strukturen und Stresstests schaffen die Grundlage, um auch in turbulenten Zeiten handlungsfähig zu bleiben.